Bewertung von Nachträgen vor dem Hintergrund der Baukrise

Warum die aktuelle Baukrise weitreichende Auswirkungen auf Ihre Bauprojekte hat

Die Problematik der Nachtragsbewertung im Baubereich gewinnt vor dem Hintergrund der aktuellen Baukrise in Deutschland an Bedeutung. Diese Krise hat weitreichende Auswirkungen auf die Bauprojekte und die Bewertung von Vertragsänderungen.  

In diesem Artikel werden wir einige der relevanten Aspekte beleuchten und darauf eingehen, warum die Nachtragsbewertung überdacht werden sollte.


Im Kontext der Baukrise in Deutschland ist es von entscheidender Bedeutung, die Bewertung von Nachträgen im Bauwesen zu verstehen. Gewinne können nach deutschem Handelsrecht in der Regel erst realisiert werden, wenn ein Bauprojekt abgeschlossen ist. 
 

1. Verpflichtungen

Die Verpflichtung zur Ausführung von Nachträgen ergibt sich aus § 1 Abs. 4 VOB/B. Der Vergütungsanspruch ergibt sich aus § 2 Abs. 4 bis 7 und in Ausnahmefällen aus Abs. 8 VOB/B. Dies führt jedoch zu einem Dilemma, wenn die Schlussrechnung gestellt wird und sich später herausstellt, dass sie nicht realisiert werden können. Dieser Artikel untersucht die Frage, wie man dieses Problem in der Praxis angehen kann und präsentiert Lösungsansätze. 

2. Unterschiede in den Nachträgen

Arten von Nachträgen In der Baukrise ergeben sich verschiedene Arten von Nachträgen, die nicht immer eindeutig voneinander zu unterscheiden sind. Es ist wichtig zu beachten, dass es sich dabei um Vergütungsansprüche handelt, für die zum Zeitpunkt der Abrechnung noch keine klare schriftliche Vereinbarung vorliegt. 

2.1. Klassischer Nachtrag

Der klassische Nachtrag bezieht sich auf Änderungen oder Zusatzleistungen, die nach Vertragsabschluss erforderlich werden. Dies kann zu einem Mehr- oder Minderaufwand führen, der entsprechend vergütet werden sollte. Die Berechnung basiert in der Regel auf den ursprünglichen Kalkulationen des Unternehmers. 

Erkennt der Auftraggeber im Nachgang, dass er eine Mehr- oder Minderleistung benötigt, so wird die endgültige Abrechnungssumme einfach über die Anzahl der ausgeführten Leistungseinheiten errechnet.  

Hierbei handelt es sich typischerweise nicht um einen Nachtrag.  

Anders ist der Fall zu beurteilen, wenn der Auftraggeber nachträglich, also nach Vertragsabschluss, eine andere Art von Leistung ausgeführt haben möchte.  

Ein Beispiel ist hier, dass der Handwerker eine bestimmte Qualität des Fußbodens in einem Neubau angeboten hat. Während der Bauphase entscheidet aber der Auftraggeber, dass er ein anderes Fabrikat möchte. 

Hier kommt es also zu einer echten Leistungsänderung. Häufig ändert sich der Einkaufspreis des zu verbauenden Materials. Vielfach sind aber auch Vorleistungen zu ändern, so dass hier ein weiterer Mehr- oder Minderaufwand in der Arbeitsleistung entsteht.  

Der Einheitspreis wird dabei vom Handwerker typischerweise folgendermaßen kalkuliert: 

Materialwert 

+ Fertigungslohn (Stundenverrechnungssatz) 

= Herstellkosten 

+ Zuschlag für die allgemeinen Geschäftskosten 

= Selbstkosten 

+ Zuschlag für Wagnis und Gewinn 

= Verkaufspreis (Einheitspreis) 

 

Kommt es nun zu einer Zusatzleistung, so hat der ausführende Unternehmer grundsätzlich Anspruch auf die Vergütung dieser Zusatzleistung. Dies wäre z. B. der Fall, wenn der Auftraggeber eine weitere Raumtrennung wünscht, die vorher nicht vereinbart war. 

Schon schwieriger ist der Fall zu beurteilen, wenn eine Leistung durch eine andere ersetzt werden soll.  

Beispielsweise soll ein Metallbauer ein Fenster bauen, dass nach dem Leistungsverzeichnis nicht zu öffnen war, wo sich aber der Auftraggeber aber nach Vertragsabschluss überlegt, dass es sich doch öffnen lassen soll. 

Hier muss dann auf der einen Seite der Mehr- und auf der anderen Seite der Minderaufwand berücksichtigt werden. Der Mehraufwand besteht in unserem einfachen Beispiel in der Technik, die zum Öffnen des Fensters erforderlich ist.  

In diesem Beispiel wäre es möglich, dass man an einer anderen Stelle bereits ein baugleiches Fenster verpreist hat. Dann wäre dieser Preis auch für die Änderung maßgebend. Gibt es dieses Fenster aber noch nicht, so muss ein neuer Preis gefunden werden. 

In der Praxis sind hier aber eine Vielzahl von Fallgestaltungen denkbar. Je nach den räumlichen Verhältnissen, kann die Öffnung des Fensters rein räumlich schwierig sein oder der Änderungswunsch entsteht, nachdem das fertige Fenster bereits eingebaut wurde. Gleichzeitig wäre eine zusätzliche elektrische Leitung anzubringen, wenn das Fenster alarmgesichert ist oder automatisch geöffnet werden soll. 

 

2.2. Nachtrag bei Pauschalvertrag

Auftraggeber möchten Risiken mit Pauschalverträgen auf Nachunternehmer übertragen, um die Abrechnung zu vereinfachen und gleichzeitig Risiken auszuschließen. Dies kann zu Vertragsänderungen führen, die ebenfalls vergütet werden müssen. 

Häufig wird das Mengenrisiko auf den Nachunternehmer übertragen. So kann beispielsweise vereinbart werden, dass aufgrund von Planunterlagen oder eines Einheitspreisverzeichnisses der Nachunternehmer verpflichtet ist diese Menge auszuführen. Werden die Planunterlagen zugrunde gelegt, tut der Unternehmer gut daran, dass er die Mengen des Leistungsverzeichnisses mit den Mengen, die sich aus den Planunterlagen ergeben, auf ihre Übereinstimmung zu überprüfen. Werden hier Abweichungen vor Vertragsabschluss entdeckt, so werden die Parteien den Vertrag entsprechend anpassen. Erfolgt die Entdeckung des Fehlers erst nach der Bildung der Pauschalen, so verbleibt das Risiko (oder die Chance) bei der Partei, die das Risiko übernommen hat.  

Streit kann es an dieser Stelle geben, wenn Leistungsverzeichnis und Planunterlagen voneinander abweichen und nicht klar geregelt ist, welches Element vorrangiger Vertragsbestandteil ist. 

Anders sind dagegen echte Leistungsänderungen zu beurteilen. Natürlich kann es auch im Pauschalvertrag zu Änderungswünschen des Auftraggebers kommen. Dazu gehören im Einzelfall auch Änderungen, die sich aus einer fehlerhaften Planung ergeben.  

Grundsätzlich hat auch hier der Unternehmer einen Anspruch auf Mehrvergütung für den Mehraufwand nach den oben dargestellten Grundsätzen.  

2.3. Stundenlohnarbeiten als Nachtrag

In einigen Fällen werden Arbeiten im Stundensatz ausgeführt, was Änderungen in der Abrechnung nach sich ziehen kann. Es ist wichtig zu beachten, dass die Anerkennung dieser Arbeiten durch den Auftraggeber nicht immer automatisch gegeben ist. 

2.4. Bauzeitenverlängerung, Behinderung und weiteres

Verschiedene Faktoren, wie Bauzeitverlängerungen oder Behinderungen, können zu Mehrkosten führen. Diese müssen ebenfalls bewertet werden, obwohl sie nicht immer vor Gericht durchsetzbar sind. 

3. Problem der Leistungsbewertung mit der Schlussrechnung

Die Schlussrechnung markiert den Zeitpunkt, an dem Gewinne realisiert werden. Unabhängig von der Art des Nachtrags haben diese Bewertungen erhebliche Auswirkungen auf die Bilanz.  

Da die Auswirkungen unmittelbar ins Bilanzergebnis wirken, sind diese in Zeiten, in welchen die Ergebnisse schlechter werden, oft gravierend und können auch haftungstechnische Folgen für die Geschäftsführer haben.  

Eine kurzfristige Klärung ist vielfach bis zur Erstellung der Bilanz nicht möglich. Daher soll sich im Folgenden mit den „Bewertungsspielräumen“ befasst werden.  

Sollte ein Unternehmen von der Baukrise betroffen sein, können sich jedoch erhebliche Unsicherheiten und Risiken ergeben, da sich die tatsächlich realisierbaren Werte erst später klären. 

3.1. Bewertung in der Buchhaltung

Die Buchhaltung erfasst zunächst den Gewinn, der sich aus den Nachträgen ergibt, mit der Schlussrechnung in voller Höhe, Diese Bewertung sollte sorgfältig überdacht werden, um den wirtschaftlichen Realitäten gerecht zu werden. Dies betrifft nicht nur die Buchführung, sondern auch die Beurteilung durch Wirtschaftsprüfer, Berater und externe Stakeholder wie Banken, Finanzämter und Insolvenzverwalter. 

3.2. Grundsätze der Bewertung

Das Handelsgesetzbuch (HGB) betont das Vorsichtsprinzip, wonach Gewinne erst nach ihrer Realisation erfasst werden sollen. Verluste sollten hingegen erfasst werden, sobald sie erkennbar sind. Es ist jedoch wichtig, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse korrekt dargestellt werden. 

Bei der Bewertung sollte der nichtwerthaltige Teil der Forderung in Form einer Einzelwertberichtigung Berücksichtigung finden. Soweit die Gegenforderung nicht vorliegt, sondern (wie üblich) als Rechnungskürzung geltend gemacht wird, so bietet sich hier eine Teilwertabschreibung an.  

Soll dann auch noch ein Prozess geführt werden, so ist zu überlegen, ob die Prozesskosten in Form einer Rückstellung oder in Form einer Teilwertabschreibung zu berücksichtigen sind.  

3.3. Praxis der Bewertung

Die Bewertung von strittigen Nachträgen ist in der Praxis oft komplex und unsicher. Die Dokumentation des Nachtragsanspruchs kann unvollständig sein, und die Prozesse können langwierig und kostenintensiv sein. Die meisten Fälle erfordern eine vernünftige kaufmännische Beurteilung. 

Viele Fälle, wo es um die Beurteilung von Nachträgen und Gegenforderungen geht, sind daher zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung nicht eineindeutig. So ist es oftmals strittig, ob beispielsweise eine Leistung bereits vertraglich vereinbart war oder ob es sich um eine zusätzliche Leistung handelt.  

Weiterhin kann man im Einzelfall trefflich über die Ersparnis und den Mehraufwand, die aufgrund einer Leistungsänderung eingetreten ist, streiten.  

Häufig liegen daher keine oder nur bedingt konkreten Anhaltspunkte für eine „realistische“ Bewertung vor. Insofern sind alle Annahmen zwischen vollständiger Streichung der Forderung und Einbuchung der Prozesskosten sowie der unveränderten Buchhaltung prinzipiell möglich.  

Vielfach werden die Parteien versuchen „den Knoten zu durchschlagen“, da gerade erfahrene Partner die Risiken kennen und den Prozessaufwand scheuen.  

3.4. Verbuchung

Es ist wichtig, die Buchführung korrekt zu gestalten, um Missverständnisse bei den Bilanzlesern zu vermeiden. In vielen Fällen sollten die Umsatzerlöse gekürzt werden, wenn ein Nachtrag nicht durchsetzbar ist.  

Schlussfolgerung

Die Bewertung von Nachträgen im Bauwesen kann erhebliche Auswirkungen auf das Jahresergebnis haben, insbesondere in Zeiten der Baukrise. Es ist ratsam, die Bewertung sorgfältig vorzunehmen und die potenziellen Risiken und Kosten angemessen zu berücksichtigen. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Unternehmen und seinen Beratern, um fundierte Entscheidungen zu treffen. 

 

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