I. Vergangenheit und Gegenwart
1. Einleitung
Derzeit verzeichnen wir einen starken Rückgang der Bautätigkeit, insbesondere im Wohn- und Gewerbebau.
Nach unserer Einschätzung handelt es sich hierbei um die erste ernsthafte Krise, die die Baubranche seit den frühen 2000er-Jahren trifft. Die Finanzkrise 2008 hatte den Bau unserer Meinung nach nicht in vergleichbarem Maße beeinflusst.
Aktuell wirken verschiedene Megatrends, die die Baukrise entweder verstärken oder abmildern können. Einige dieser Entwicklungen möchten wir kurz skizzieren:
a) Die Überalterung der Gesellschaft führt zu einem Fachkräftemangel, der sich auch in der Bauwirtschaft stark bemerkbar macht.
b) Das gestiegene Umweltbewusstsein hat zu einer erhöhten Nachfrage nach energetischen Sanierungsmaßnahmen geführt.
c) Die zunehmenden Berichtspflichten und regulatorischen Anforderungen belasten Unternehmen erheblich.
d) Die fortschreitende Digitalisierung verändert und erleichtert Arbeitsprozesse – bringt aber auch Herausforderungen mit sich.
Einzelne Unternehmen können diese Entwicklungen nicht aufhalten, sondern müssen betriebswirtschaftlich sinnvolle Konsequenzen daraus ziehen.
Im Folgenden zeigen wir mögliche Strategien auf. Viele Aspekte werden dabei nur angerissen – bei Relevanz sollten sie individuell vertieft und umgesetzt werden.
2. Was hat sich konkret verändert?
In Gesprächen mit Unternehmern hören wir immer wieder folgende Beobachtungen:
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- Das Preisniveau für Bauaufträge ist seit dem letzten Jahr drastisch gesunken.
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- Es gibt zwar noch Aufträge, doch die Auftragsbestände schrumpfen.
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- Auf Material- und Nachunternehmerseite gibt es ebenfalls Veränderungen – jedoch in geringerem Maße als bei den Auftragspreisen.
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- Die Krankenstände haben in den letzten Jahren signifikant zugenommen.
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- Die Personalgewinnung ist schwierig, und die Zuverlässigkeit der eigenen Mitarbeiter hat insgesamt abgenommen.
3. Istzustand
Während des langen Aufschwungs haben nahezu alle Unternehmen gute Gewinne erzielt. Kunden waren oft schon froh, überhaupt Angebote zu erhalten, die dann schnellstmöglich umgesetzt wurden.
Doch diese Situation ändert sich gerade. Viele Unternehmen senken ihre Margen drastisch, um weiterhin Aufträge zu bekommen. Parallel nehmen Streitigkeiten auf Baustellen zu, was wir auf die geringeren Budgets zurückführen.
Auch Banken haben ihre Finanzierungsbedingungen deutlich verschärft – sowohl bei Projektfinanzierungen als auch bei Investitionen. Dies hat zu vermehrten Insolvenzen geführt, insbesondere bei Projektentwicklern, und zieht Forderungsausfälle für Bauunternehmen nach sich.
Dennoch reagieren viele Unternehmen bisher kaum auf die veränderten Rahmenbedingungen.
4. Die nähere Zukunft
Auch wir können die Zukunft nicht vorhersagen. Doch aufgrund der langfristigen Vorlaufzeiten von Bauvorhaben gehen wir nicht von einer schnellen Erholung aus.
Kurzfristige politische Änderungen, etwa durch die Bundestagswahl, werden hieran wenig ändern.
Für 2025 und 2026 erwarten wir eine weitere Verschärfung der Lage. Vor allem die Gewinne der Unternehmen dürften weiter sinken.
Dennoch sind viele mittelständische Betriebe nicht ausreichend auf Krisenszenarien vorbereitet.
Wir führen diese mangelnde Krisenreaktion darauf zurück, dass den heute Verantwortlichen die Erfahrung aus der letzten Baukrise fehlt oder diese bereits zu lange zurückliegt.
5. Risiken für den Unternehmer
Eine anhaltende wirtschaftliche Verschlechterung hat für Unternehmer weitreichende Folgen:
a) Werteverfall
Sinkende Erträge führen zu einem Verlust des Unternehmenswerts – im Extremfall wird die Firma unverkäuflich.
b) Erhöhte Haftung
Zusätzliche Finanzierungsbedarfe veranlassen Banken oft, neue Sicherheiten zu verlangen – darunter auch persönliche Bürgschaften des Unternehmers.
c) Haftung durch unzureichendes Risikomanagement
Mit steigenden Anforderungen wächst auch die persönliche Haftung der Unternehmer.
Das StaRUG schreibt in § 1 die Einrichtung eines Risikofrüherkennungssystems vor. Fehlt ein solches System, kann der Unternehmer persönlich in Haftung geraten.
d) Haftung im Insolvenzfall
Eine Insolvenz bringt zusätzliche Risiken mit sich, insbesondere die Insolvenzverschleppung, die strafrechtlich relevant ist.
Während Unternehmer oft um ihre Existenz kämpfen, bewertet die Rechtsprechung eine zu späte Insolvenzanmeldung als kriminelles Delikt – mit potenziell gravierenden Folgen.
Auch diese Liste ist nicht abschließend, verdeutlicht aber die erheblichen Risiken.
II. Lernen aus der Vergangenheit
Die letzte Baukrise von 2000 bis 2004 führte zu zahlreichen Insolvenzen, viele Unternehmen konnte dies aber auch gerade noch verhindern. Viele Betriebe scheiterten jedoch nicht nur an äußeren Umständen, sondern auch an internen Fehlern.
Typische Probleme waren:
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- Mangelhaftes Nachtragsmanagement
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- Erhebliche Forderungsausfälle
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- Unzureichendes Projektcontrolling
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- Fehler in den Kalkulationen
All diese Aspekte lassen sich unter einem Begriff zusammenfassen:
Mangelhafte Unternehmenssteuerung.
Wir stellen fest, dass in den letzten Jahren das Controlling in einigen Unternehmen abgebaut wurde – oft aus Bequemlichkeit, da die Gewinne stabil waren.
Notwendige Voraussetzungen
Unternehmen sollten präventiv agieren, anstatt erst in der Krise zu reagieren. Hierzu ist aus unserer Sicht eine erfolgreiche und zielgerichtete Unternehmensführung erforderlich. Zur Umsetzung sind drei Dinge essenziell:
1. Unternehmensstrategie und -planung
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- Strategie: Wo soll das Unternehmen in fünf oder zehn Jahren stehen?
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- Planung: Wie lassen sich strategische Ziele in messbare Kennzahlen überführen?
Zielsetzung ist die Erarbeitung einer Planung für das Unternehmen, die von den Verantwortlichen mitgetragen wird. Aus der Gesamtplanung sind die Teilziele für jeden Verantwortungsbereich erkennbar. Beides dient der internen und externen Kommunikation, denn die Ziele müssen für die Mitarbeiter konkret und nachvollziehbar sein. Dies gilt auch für die externen Partner, z. B. die Banken oder auch Kreditversicherer, die viel eher bereit sind, ein Unternehmen, das sie verstehen, auch zu finanzieren.
2. Controlling
Das Controlling bildet die operative Umsetzung der Strategie.
Während die Geschäftsleitung finanzielle Kennzahlen benötigt, interessieren den Bauleiter vor allem seine Baustellen – und den Polier die geleisteten Arbeitsstunden.
Wichtig ist ein effizientes, praxisnahes Controlling, das ohne unnötigen Mehraufwand funktioniert.
Dies müssen nicht nur „harte Zahlen“, die sich aus der Buchhaltung ergeben sein, sondern sie können aus allen Unternehmensbereichen kommen.
Zunehmende Bedeutung gewinnen hier die Daten, die in ERP-Systemen vorhanden und erfasst werden, weil sie – im Gegensatz zur Buchhaltung – stärker zukunftsorientiert sind.
3. Risikofrüherkennung
Bauunternehmen tragen besondere Risiken, z. B. durch große Einzelprojekte. Die Früherkennung von Risiken ist Teil des Controllings.
Speziell im Baubereich gibt es hier einige Faktoren, die eine größere Rolle als in anderen Unternehmen spielen.
So gibt es häufig ein Klumpenrisiko, weil relativ wenige Aufträge zeitgleich bearbeitet werden. „Läuft“ eine Baustelle schlecht, so wird der Auftraggeber oftmals Zahlungen zurückhalten. Diese Zurückhaltung kann für das betroffene Unternehmen schnell existenzbedrohend sein.
3.1. Liquiditätssicherung
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- Eine aussagekräftige Finanzplanung ist essenziell.
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- Rechnungen müssen zeitnah gestellt werden.
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- Bei größeren Projekten können spezielle Kreditlinien mit Banken abgestimmt werden.
3.2. Bonitätsüberwachung des Kunden
Da Bauprojekte lange dauern, kann sich die Bonität des Auftraggebers in der Bauphase verschlechtern. Eine Überwachung, auch der laufenden Auftraggeber, ist daher zwingend vorzunehmen.
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- Auskunfteien bieten erste Anhaltspunkte.
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- Forderungsversicherungen reduzieren Risiken, haben aber Umsetzungsanforderungen.
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- Factoring sichert Liquidität, ist aber teurer und deckt nicht alle Risiken ab. Gerade das Produktionsrisiko ist hier nicht abgedeckt.
3.3. Mehrkosten
Unvorhergesehene Mehrkosten entstehen auf vielen Ebenen:
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- Teilleistungen sind nicht richtig eingeschätzt
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- Falsche Ausschreibungsinterpretationen
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- Bauzeitverlängerungen durch interne und externe Faktoren
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- Leistungsänderungen durch interne und externe Faktoren
In aller Regel ist es nicht empfehlenswert die Baumaßnahme einzustellen, auch wenn man der Ansicht ist, dass die Verantwortung auf Auftraggeberseite zu suchen ist. Zielführender ist es, einen wohldosierten „Druck“ aufzubauen, damit man zu einer – möglichst gemeinsamen – Lösung kommt.
Ein Teil der Lösung ist ein frühzeitiges Nachtragsmanagement. Zur Absicherung der Forderungen sind die wichtigen rechtliche Grundlagen §§ 650c, 650d und 650f BGB, die zunehmend an Bedeutung gewinnen.
III. Zusammenfassung
Die Baubranche war schon immer risikoreich. Mit sinkenden Preisen steigen diese Risiken erneut. Die Fehler aus der letzten Baukrise sollten sich nicht wiederholen.
Durch gezieltes betriebswirtschaftliches Controlling, strategische Planung und aktives Risikomanagement lassen sich Krisen jedoch deutlich besser bewältigen.
Die Unternehmen haben es selbst in der Hand, rechtzeitig die Weichen für eine stabile Zukunft zu stellen. Dies sichert auch die persönlichen Risiken der Geschäftsführer ab.
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